Brummfisch

I fish, therefore I brumm.

Brummfisch header image 2

The Queen

January 14th, 2007 · 5 Comments

Bevor man über den Film schreibt, muss man sich eigentlich erst einmal die Zeit nehmen, den Mut von Herrn Frears bewundern, dass er sich diesem Subjekt widmet, denn wenn so ein Film über die Queen in die Hose geht, schreiben sich die Schlagzeilen wie von selbst (”We were not amused”). Aber keine Angst, Herr Frears: we were nämlich schon amused. Und nicht nur wir, sondern auch die meisten anderen, der Film hat großen Oscar-Buzz (wie man so schön sagt) - auf Rottentomatoes hat der Film übrigens 98% positive Bewertungen, das ist mal ordentlich.

Aber erst mal zum Inhalt: Die Geschichte ist schnell erzählt - eigentlich kennt sie jeder schon. Es geht nämlich um die Tage nach dem Tod von Prinzessin Diana und um die Reaktion (bzw. Nicht-Reaktion) der Queen. Nach dem Film stellten wir übrigens fest, dass sich jeder noch daran erinnern konnte, wo man war, als man vom Tod von Diana hörte, emotionale Reaktionen mal außen vor. Und wahrscheinlich kennt jeder die Bilder vom Blumenmeer vor dem Buckingham Palace und den weinenden Briten. Das ist also alles nix Neues, da muss man erst mal was draus machen.

Herr Frears geht dieses bekannte Thema quasi aber nun von innen nach außen an, er zeigt uns, was im Buckingham Palace passiert und kontrastiert dies mit den Vorgängen in Downing Street 10.

Im Palast regiert die Queen mit größtmöglichem Stoizismus und eiserner Hand, jongliert Warmduscher-Sohn Charles und pöbelnden Proll-Ehemann und gerät beim Versuch, die ungeliebte Ex-Schwiegertochter nicht im Tode noch die Oberhand gewinnen zu lassen, völlig aufs falsche Gleis.

Ganz großartig: Dame Helen Mirren, da kann man schon mal die Oscar-Nominierung zumindest voranmelden. Wie die Queen eine Augenbraue um den Bruchteil eines Millimeters hebt, wenn Tony Blair (”Call me Tony”) ihr unprotokollmäßig einen Schmatzer auf die Hand drückt! Wie sie mit steinerner Miene vor dem Fernseher sitzt und Montagen über die weinende Diana guckt! Wie sie vor dem Blumenmeer ihre andere Augenbraue um den Bruchteil eines Millimeters hebt und wir wissen, dass es sie fürchterlich trifft, dass ihre Untertanen sie nicht so zu schätzen wissen! Wie sie sich nur entspannt, wenn Tiere in der Nähe sind, weil sie mit Leuten nicht so kann! Wunderbar.

Auf der anderen Seite Tony Blair: Auch ganz prima, ein Mann, den ich nicht kenne, der aber offensichtlich gerne mal Tony Blair verkörpert, wie mir IMDb mitteilt (und übrigens, wie ich gerade sehe, a) auch für Stephen Frears und b) mit David Morissey, den ich total super finde. Aber das nur am Rande). Hier bringt er uns den Mann des Volkes, den kleinen, wieselnasig-blassen Engländer, der zwischen allen Stühlen sitzt, weil er eigentlich die vernünftige, royalkritische Regierung verkörpern soll, aber insgeheim eine Schwäche für die Monarchie hegt. Aufgeregt, wenn er die Queen zum ersten Mal trifft, verzweifelt, wenn die Queen sturköpfig seinen Ratschlägen nicht folgt und wütend, wenn Frau und Beraterstab die Regentin kritisieren.

Aber auch die Nebenrollen sind hervorragend besetzt, allen voran James Cromwell (”Hurra, der Farmer von Schweinchen Babe”) als mürrischer, reaktionärer Klotz von jagdbesessenem Ehemann, aber auch Alex Jennings als Prinz Charles, der nervös die Hände ringt und sich bei Tony einschleimt, damit die Presse lieber seine Mutter ans Kreuz nagelt. Oder die Frauen: Sylvia Syms als graue Eminenz Queen Mom, deren größtes Ärgernis ist, dass Diana nun eine bessere Beerdigung bekommt als man selbst, und Helen McCrory als Cherie Blair, die Revoluzzer-Ehefrau, die keinen Bock hat, vor der Queen zu knicksen, und die beim Tony ständig ob seines Mutter-Komplexes stichelt.

Zwischen Montagen mit echtem Diana-Material inszeniert Herr Frears diese Personen in ihren Welten, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Eisige Kälte im Palast, Tweed-Kostüme und traditionelle Kilts, steifer Nachmittagstee und Lockenwickler versus Familien- und Beratertrubel bei den Blairs, überall bunte Kinderbilder und Spielzeuge, es gibt Fischstäbchen (”leider ein bisschen angebrannt”) und Tony trägt heute sein Lieblings-Fußballshirt (BLAIR 10).

Und das tut der Regisseur wunderbar unterhaltsam und nicht so dramatisch-schwer, wie der Film bei dem hochemotionalen Thema hätte werden können. Da muss ich sagen, das liegt mir persönlich einfach mehr, wenn die Dramatik sich unterschwellig abspielt, wenn leicht inszeniert wird und der Fokus weniger auf der ostentativ-künstlerischen Entfaltung des Regisseurs liegt (Busch treibt dramatisch über die Savanne in Marokko) als vielmehr darauf, nuanciert die zwischenmenschlichen Strömungen und Entwicklungen der Personen zu entfalten.

Wobei ich ein, zwei kleinere Kritikpunkte hatte: so war mir das Queen-Make-Up etwas zu schräg gelungen, irgendwie sah Frau Mirren manchmal aus wie ein Sketch-Komödiant, der die Queen in seinem Programm verkörpert. Außerdem fand ich die Geschichte mit dem Hirsch (Queen kann sich mit 14-Ender eher identifizieren als mit Ex-Schwiegertochter) ein klein wenig überdramatisiert.

Aber das tut dem Filmgenuss keinen großen Abbruch, und somit verleihe ich dem Film 9 königliche Tiaras von 10. Sehr zu empfehlen. Für Fans von Elizabeth, Gosford Park, A Cock and Bull Story, britischen Komödien und Helen Mirren im generellen und im speziellen.

Für den, der mir nicht glaubt, oder der noch ein wenig zusätzlich schmökern mag, hier noch zum Abschluss ein Link zur Kritik im New York Times Magazine.

Ja, und dann ist da noch die Geschichte, wie mir der Butler/Berater der Queen so bekannt vorkam und ich sagte: “Der ist sicher aus einem ‘Harry Potter’Film, bei ‘Tristram Shandy’ kamen mir auch alle bekannt vor und die waren allesamt aus Harry Potter”. Und jetzt, wo ich nachschlage, war der Mann nicht in “Harry Potter”, dafür aber in “Tristram Shandy”. Ha, ha, ha. Jaja, ich und das Gesichtergedächtnis. 1a. Wobei ich ihn sicherlich aus V for Vendetta in Erinnerung hatte, aber das ebenfalls nur am Rande.

Tags: Ein Kino-Mon berichtet

5 responses so far ↓

  • 1 HaTho // Jan 15, 2007 at 6:51 am

    Und was besseres kann man mit einer Horde Halbwaiser machen, als sie mit auf die Jagd zu nehmen, alternativ nach Rotwild oder Paparazzi, je nachdem was gerade im Wald herumlaeuft? Ich bin sicher, Charles war nach Betrachtung des Werks ein wenig beklommen und hat sich einen neuen Imageberater gekauft. Und Blair seiner Frau ein neues Tablett.

  • 2 DonParrot // Jan 15, 2007 at 11:18 am

    Ich weiß zwar noch, wo ich war als uns Boris zum ersten Mal Wimbledon gewonnen hat, aber nicht, wo ich war, als Diana ums Leben kam.

  • 3 marco // Jan 16, 2007 at 3:06 am

    The Queen war der einzige Film, den ich im Boardunterhaltungsprogramm beim United-Flug nach Amerika sehen konnte (alles andere war entweder noch schlimmer oder schon gesehen).
    Als er dann allerdings auf dem Weiterflug gleich nochmal kam, hab ich lieber gelesen ;)

  • 4 Flo // Jan 16, 2007 at 9:08 pm

    Auch ich weiss wo ich war. Und sogar auch mit wem, und auch, dass ich da keine Haare mehr auf dem Kopf hatte (der Langhaarschneider hatte versagt) und an diesem Tag nach Sri Lanka geflogen bin.

  • 5 jule // Jan 19, 2007 at 11:55 pm

    ich weiss noch, dass der flo in die küche kam und sagte: lady di ist tot und wir sasgten: hey, zu früh für blöde witze. irgendwie dachte ich immer: der film wäre ein wenig öde, aber vielleicht schaue ich ihn mir jetzt doch mal an…

Leave a Comment