Brummfisch

I fish, therefore I brumm.

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Singe, wem Gesang gegeben

June 12th, 2008 · 1 Comment

Heute hat mein Handy wieder versagt, isch weiß net, warum’s des macht. Aber langsam gewöhne ich mich an die Zeitzone und bin trotzdem um die richtige Uhrzeit aufgewacht. Heute hatte der Wettermann recht: Regen, Regen, nochmals Regen. Wiewohl traurig, trug ich wenigstens den treuen Regenschirm diesmal nicht umsonst mit mir herum. Im Zuge der Aktion “Lerne Tokio von allen Seiten kennen”, ging es heute ins Nerd-Viertel Akihabara. Da kann man keine zwei Meter laufen, ohne von diversen Elektro- sowie und Rollenspielartikeln angefallen zu werden.

Das Laufen durchs Viertel war aber relativ anstrengend, weil vor ca. 3 Tagen ein wahnsinniger Messerstecher in Akihabara zugeschlagen hat. Nein, nicht anstrengend, weil man Angst vom bösen Mann haben musste, den hat man gestern gefasst. Aber seither kommen ständig Updates im Fernsehen (”So ein ruhiger Mann”, sagten die Nachbarn / “Hier ein Video vom Truck, den er vorher fuhr” / “Bei diesem Geschäft hat er sein Messer gekauft”), und deshalb durchstreiften nun Horden von Kameracrews das Gebiet großräumig, auf der Suche nach Leuten, die was zum Fall zu sagen hatten. Nachdem aber die Anzahl der Kameracrews die Anzahl der Aussagebereiten deutlich überstieg, stürzten sich diese sogar auch auf nichtsahnende Touristen, und ich entkam mehrfach nur knapp.

Ich begutachtete dann die Nerd-Ware, wobei die Geschäfte eine mir persönlich zu große Anzahl animierter Boobies aufwiesen, und mir die japanischen Nerds (Otakus), die gerne mal z.B. WWII-Uniformen tragen, mir persönlich auch etwas unheimlich sind. Damit ich euch was zu erzählen habe, ging ich aber sogar in den Laden mit den 6 Stockwerken, in dem man alle möglichen Kostüme kaufen konnte. Wobei ich dann beim Reingehen feststellte, dass die Kostüme nur in den oberen zwei Stockwerken angeboten wurden, und in den unteren vier Stockwerken einige ältere japanische Geschäftsmänner nebst einer jüngeren Dame (unrelated) verschiedene Befriedigungsartikel begutachteten, die ein bisschen aussahen wie ein Ersatzteillager in einer Schaufensterpuppenfabrik. Eek!

Auf der Straße begegneten mir auch dauernd kleine Mädchen, die aussahen wie die gestern bereits erwähnte französischen Dienstmädchen (und eine “sexy Nurse”), ich hoffe, die waren auf dem Weg zur Arbeit, ich fürchte aber, die sind einfach immer so angezogen. Die Nerds machten Fotos von ihnen. Mir ist auch aufgefallen, dass japanische Frauen häufig ein kleines Köfferchen hinter sich herziehen, vielleicht ist da ja für jeden Anlass das passende Kostüm drin untergebracht.

Anstrengend ist bei Regen übrigens auch, dass man bei jedem Betreten eines Geschäfts seinen Regenschirm in eine kleine Plastikhülle friemeln muss, damit er nicht tropft (so das Geschäft denn keinen Schirmständer draußen aufgestellt hat). Manche Geschäfte haben auch so eine Art Automat, der den Regenschirm automatisch in die Hülle schiebt. Beim Verlassen des Geschäfts friemelt man ihn wieder raus und schmeißt die Hülle weg. Umweltfreundlich ist das nicht wirklich.

Nachdem es ja regnete wie Sau, wanderte ich dann, wie bereits angekündigt, in einen Karaoke-Schuppen, wo ich die Frau an der Kasse mit meinem Unwissen etwas aus der Fassung brachte. Aber irgendwann gab man mir einen Zettel, auf dem eine Nummer geschrieben stand, und bedeutete mich in den vierten Stock, wo die Nummer mit einer kleinen Karaoke-Box korrespondierte. In der Box war eine Bank und die Karaokemaschine, sowie eine Lightshow, die blinkte. Neben dem Fernseher lag eine Art Telefonbuch, in dem waren alle Titel aufgeführt, die man so singen konnte. Die Titel waren nach obskuren Regeln mehr oder weniger phonetisch/alphabetisch geordnet, so dass man dann lustig raten konnte, ob ein Titel, der mit “Who” anfängt, unter “ha” einsortiert ist (ja). Das mag einem Japaner eingängig sein, der Europäer hingegen muss kläglich scheitern. Immerhin war neben dem Liedtitel auch immer die erste Zeile angegeben, damit man wusste, ob man auch das richtige Lied meint.

Nach längerem Suchen fand ich dann einen Titel, den ich kannte (weil er unter “ro” wie “Rock You” angebracht war, was am einfachsten zu finden war). Die Lieder waren mit Nummern versehen: “Alles klar” dachte ich in meiner jugendlichen Naivität und griff zur Fernbedienung. Die Fernbedienung war aber ungefähr so groß wie mein Unterarm und hatte ca. 2.000 Knöppkes - auf japanisch beschriftet. Ich tippelte wild darauf herum, bekam aber keinen Bildschirm, wo ich Nummern eingeben konnte, es gab ein Knöppkes “Neue Lieder” und ein Knöppkes “Lieder, die älter sind als 6 Monate”, aber die brachten mich nicht weiter, und die anderen konnte ich nicht entziffern.

Von links und rechts hörte ich währenddessen fröhliche Japaner, die es besser konnten, bereits laut und falsch Lieder intonieren (ich hatte auch, freundlich wie ich bin, vier Geschäftsmänner auf Mittagspause schon im Aufzug erheitert, weil ich im falschen Stockwerk ausgestiegen und dann wieder rasch hineingehüppt war). Seufzend dachte ich “Könnte man doch einfach nur Nummern eingeben” und tippte mürrisch auf die Nummer “2″. Die erschien dann auch prompt auf dem Display. VICTORY! Man brauchte gar kein Menü. Einfach Nummern eingeben und los geht’s. Da hätte man auch drauf kommen können. Nachdem ich dann auch noch herausfand, dass das 2. Telefonbuch nicht noch ein Exemplar des ersten war, sondern ein nach Interpret geordnetes, und die leichter zu finden waren, gab es kein Halten mehr und ich gröhlte fröhlich eine Stunde durch, während die Lightshow orgelte.

Hey, Karaoke ist toll, das mach ich jetzt öfter. Da fühlt man sich wie bei Bohlens auf der Bühne. Ich frage mich, warum sich das bei uns nicht durchgesetzt hat - bei uns gibt es immer nur diese öffentlichen Karaoke-Events. Aber vor Leuten will doch keiner singen…und in so einer kleinen Box, das ist doch viel schöner und erfreut doch alle. Außer denen, die man mitgebracht hat, und die zuhören müssen. Aber die müssen halt mitsingen, dann hört man das nicht mehr so gut. Immerhin weiß ich jetzt, was Frau S. immer hört, wenn ich beim Putzen zum iPod mitsinge. “Hmadumdes versteh ich nie schrmfrschubideilalala” - der General entschuldigt sich und gelobt in aller Förmlichkeit, nur noch in Karaoke-Boxen zu singen :)

Man kann sich übrigens wohl auch in die Box Getränke bringen lassen, wie das ging, konnte ich nicht herausfinden, aber die Nachbarn sah ich fleißig ordern - ja, beim Singen wird die Kehle trocken. Ich hatte mir schon beim Reingehen einen kleinen vermeintlichen Schwarztee geordert, es war aber Schwarztee mit Kohlensäure, in dem augenscheinlich noch ein Schuss Essig enthalten war. Brrrrr! Der Japaner isst nicht nur merkwürdige Sachen, auch die Getränke sind offensichtlich mit Vorsicht zu genießen.

Anschließend dachte ich mir, ich tu jetzt noch was für die kulturelle Bildung, und gehe ins Kabuki-Theater. Das ist an der Ginza, und da kann man auch nur einen Akt für billig Geld anschauen. Ein Akt dauert 1 Stunde, das kann man schon mal machen. Ich stellte mich also an der Schlange an, kurz bevor eine Horde Studiosus-Reisender aus dem Osten ankamen, aber ich drückte mich geschickt durch das demonstrative “Lesen” eines japanischen Mangas vor Zwangskonversation.

Das Kabuki-Theater war ganz witzig. Wenn man nur einen Akt guckt, sitzt man ganz oben - die Japaner hatten sich alle kleine Lunchboxen mitgebracht und mampften die vor der Vorstellung, fein ist nicht im Kabuki-za. Kabuki ist übrigens das, wo alle Schauspieler krass geschminkt sind und relativ einfache Plots mit ganz elaborierten Bewegungen und unter Musikbegleitung (mit einer ukuleleähnlichen Gitarre sowie Trommeln) vorgetragen werden. So ungefähr Oliver and Hardy meets Bauerntheater meets Ballett meets Samurai. Auuuuooooooooouuuuuu! Zudem darf das Publikum gerne zwischenrufen, wenn es mag. Für mehr Info klickst du hier. Ich hatte übrigens einen englischen Knopf im Ohr, der mir Dinge erklärte, wobei auch einige Japaner einen japanischen Knopf im Ohr hatten - altjapanisch ist nicht jedermanns Sache offensichtlich. Neben mir die dicken Ost-Leute passten nicht in ihre Stühle und mussten dauernd aufstehen und sich die Beine vertreten. Zum Glück waren sie nicht in den unteren Reihen, da gab es eine Frau, die herumging und Leute zur Ordnung rief, die tuschelten. Sowas sollte es bei uns im Kino auch geben. Ruhe jetzt!

Nach dem Kabuki ging ich dann Sushi-Essen und bestellte mir dermaßen fehlerfrei beim Sushi-Meister ein Shrimps-Sushi, dass ich übermütig wurde und versuchte, nach einer Bank zu fragen - konnte ja keiner damit rechnen, dass die japanischen Banken früh zumachen, und man dann auch nicht mehr an die Geldautomaten kommt, und somit meine Frage kompletter Nonsens war um die Zeit. Die Antwort (”Was fragen Sie für komische Sachen, die Bank hat zu”) verstand ich natürlich nicht und guckte wieder wie der Ochs vorm Berg. Man lernt einfach irgendwie die falschen Sachen für den täglichen Umgang durchs Anschauen japanischer Soaps. Aber ich komm ja nie wieder in dieses Restaurant, also kann ich ja so blöd auftreten wie ich mag. Und nu bin ich wieder im Hotel und hoffe, dass mein Zimmernachbar diese Nacht nicht wieder so laut schnarcht wie gestern (wegen der dünnen Wände ja auch die Love-Hotels). Und morgen, wo Sonnenschein angesagt ist, plane ich, die neue Sonnenbrille nun endlich an den Odaiba-Strand spazieren zu führen.

Tags: Gelaber

1 response so far ↓

  • 1 ulisch // Jun 13, 2008 at 8:54 am

    Ui, ne Karaoke Box, will auch. Frau C. muss aber dann mit, weil die mag es wenn ich zu meinem IPod singe :) Sonnenbrillen? Neu? Wo? Wenn du eine findest, die mir hervorragend stehen würde….

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